Himmel auf Erden
Gerold Tusch beschäftigt sich in seiner künstlerischen Arbeit vor allem mit ornamentalen Elementen aus dem Bereich des Dekors und des Kunsthandwerks. Das tradierte Formenrepertoire, besonders die Prunkformen des Barock und Rokoko, bieten dem Künstler einen reichen Fundus, auf den er pointiert zugreift. Gerold Tusch löst die Gegenstände aus ihrem gewohnten Kontext und transferiert sie in einen neuen, zeitgenössischen Zusammenhang, um ihre formale und inhaltliche Wirkkraft zu prüfen bzw. sie für eigene gestalterische Ideen zu nutzen. Dazu bedient sich der Künstler des Mittels der Keramik. Aus Ton erzeugt er ungewöhnliche, skulpturale Werke, die mit herkömmlicher Töpferware nichts mehr gemein haben. Jenseits jeder Gebrauchs- bzw. Schmuckfunktion faszinieren die Arbeiten durch ihre bestechende formal-ästhetische Erscheinung, große Sinnlichkeit und Assoziationspotential, ihre irritierenden Dimensionen und den außergewöhnlichen Verwendungsrahmen. Zugleich fordern die Arbeiten auf intellektueller Ebene heraus, indem sie brisante Themen abhandeln und Fragestellungen aktueller Relevanz aufwerfen.
In der Installation "Himmel auf Erden" arbeitet der Künstler mit Wolkenformationen, die er am historischen Steinboden der Burgkapelle anordnet. Diese ornamentalen Wolken-Ringe sind Zitate der "Silberwolke", Details barocker Altäre und Illusionsmalereien, wie sie auch im Kapellenraum zu finden sind. Die Intervention des Künstlers bricht die klassischen Hierarchien des Kirchenraumes auf, konzentriert die Aufmerksamkeit auf einen unspektakulären Nutzbereich, abseits von Altarraum, geschmückten Wänden und Plafond, macht den Boden zur Bühne und stellt damit dem Fresko der Apsis, das die Himmelfahrt des Hl. Domitian zeigt, einen "anderen" Himmel gegenüber.
Die Wolke als Himmelsymbol wird auf die Erde herab geholt - das Heilsversprechen der Erlösung und des Paradieses im Irdischen verankert -, es verliert dadurch seine elysische Konnotation und erlangt neue Bedeutung. Es fokussiert die Blicke, die nun nicht mehr durch die Illusionsmalerei geleitet in die Unendlichkeit, die Ewigkeit schweifen, auf die Ebene der profanen Welt. Der Himmel ist nun nicht mehr Ort der Erlösung im religiösen Sinn, sondern vielmehr subjektive Definition dessen, was glücklich macht - individuelles, privates Paradies, das gleichzeitig jedoch grundsätzlich zur Diskussion gestellt wird.
Ebenso kann man, zwischen den Wolkengebilden durch die Installation gehend, immer noch in poetischer Stimmung der Illusion nachgeben, in entrückten Sphären, in unbestimmten Regionen zu wandeln. Der Künstler setzt der barocken Himmelsillusion der Burgkapelle eine zeitgenössische, irdische Seins-Version entgegen, die sich mit ihr zu einem neuen Ganzen, das reale und geistige Ebenen umschließt, verbindet. Im Verhältnis von Himmel und Erde, Jenseits und Diesseits, Illusion und Realität spannt sich ein komplexer Diskussionsraum - auch der eigenen Verortung - auf.
Christine Wetzlinger-Grundnig, 2017
Text für das Faltblatt zur Installation "Himmel auf Erden"
in der Burgkapelle MMKK - Klagenfurt